Beitrag Mo 15. Dez 2014, 22:06

Das Inferno von Dresden

Das Inferno




Dresden, 13. - 15. Februar 1945



Der Auftakt



Dresden um 1910



Sonntag, 3. September 1939
Ich spreche zu Ihnen vom Kabinettszimmer in Nr. 10 Downing St. An diesem Morgen übergab der britische Botschafter in Berlin der deutschen Regierung ein Schlusscommuniqué, laut dem wir uns, falls uns nicht bis 11 Uhr mitgeteilt wird, dass sie sich vorbereiten, ihre Truppen aus Polen zurückzuziehen, im Krieg mit ihnen betrachten. Ich habe Ihnen nun mitzuteilen, dass wir von keiner derartigen Unternehmung Nachricht erhalten haben und dass wir uns im Krieg mit Deutschland befinden.
Neville Chamberlain an die britische Bevölkerung über BBC

4. September 1940
... und wenn die britische Luftwaffe zwei oder drei oder viertausend Kilogramm Bomben wirft, dann werfen wir jetzt in einer Nacht hundertfünfzig, hundertachtzig, zweihundertdreißig oder dreihundertvierzigtausend... und wenn sie erklären, sie werden bei uns Städte in großem Ausmaß angreifen, werden wir ihre Städte ausradieren... Wir werden diesen Nachtpiraten das Handwerk legen, so wahr uns Gott helfe!
Es wird die Stunde kommen, da einer von uns beiden bricht – und das wird nicht das nationalsozialistische Deutschland sein!

Rede im Berliner Sportpalast vom 04.09.1940

14. Februar 1942
Anweisung der Royal Air Force (RAF) an den neuen Oberkommandierenden des Bomber Command, Sir Arthur Harris:
"You are accordingly authorized to use your forces without restriction...."
"It has been decided that the primary objective of your operations should be focused on the morale of the enemy civil population and in particular the industrial workers"
("Sie sind dementsprechend befugt, ihre Streitkräfte ohne Beschränkung einzusetzen..." - "Es wurde beschlossen, dass das primäre Ziel ihrer Unternehmungen die Moral der feindlichen Bevölkerung und insbesondere der Industriearbeiter sein sollte.")

Area Bombing Directive (General Directive No.5 (S.46368/D.C.A.S) (Anweisung zur 'Flächenbombardierung')



Sir Arthur Travers Harris, auch "Bomber Harris" genannt.



4. Februar 1945
Unsere Wünsche sind
a) Um den Vormarsch der alliierten Truppen im Westen zu beschleunigen...
b) Durch Luftangriffe den Feind daran zu hindern, seine Truppen zu verlegen (im Speziellen über die Knotenpunkte Berlin und Leipzig)
c) Den Rückzug der feindlichen Truppen aus Italien zu verhindern

General Antonov, Chef des russischen Generalstabes auf der Konferenz von Jalta

13. Februar 1945
“Dresden, the seventh largest city in Germany and not much smaller than Manchester, is also far the largest unbombed built-up the enemy has got. In the midst of winter with refugees pouring westwards and troops to be rested, roofs are at a premium. The intentions of the attack are to hit the enemy where he will feel it most, behind an already partially collapsed front, to prevent the use of the city in the way of further advance, and incidentally to show the Russians when they arrive what Bomber Command can do.”
("Dresden, die siebtgrößte Stadt in Deutschland und nicht wesentlich kleiner als Manchester, ist auch die größte nicht bombardierte Stadt, die dem Feind verblieben ist. Mitten im Winter mit Flüchtlingen, die nach Westen strömen und Truppen, die sich ausruhen müssen, sind Unterkünfte vorrangig. Die Absichten des Angriffes sind, den Feind da zu treffen, wo es ihm am meisten weh tut hinter einer bereits teilweise zusammengebrochenen Front, den Gebrauch der Stadt für weitere Vormärsche zu verhindern und auch um den Russen zu zeigen, was das Bomberkommando (der RAF - Anm. d. Verf.) vollbringen kann.")

Memo an die britischen Piloten vor dem Angriff auf Dresden


Der 1. Akt



Dresdner Altstadt. Blick von der Brühlschen Terrasse auf die Frauenkirche, 1916.



Wir schreiben das Jahr 1945. Es ist Februar. Die deutsche Wehrmacht feiert längst keine Siege mehr, sondern kämpft bereits auf deutschem Boden um das nackte Überleben. Das Nationalsozialistische Regime beherrscht noch immer die Bevölkerung und es werden weiterhin Parolen ausgegeben und nicht an eine Kapitulation gedacht. Immer noch fantasiert man von einem Endsieg, doch für die Menschen geht es schon lange nur noch ums blanke Überleben. Die Schergen des Regimes greifen härter denn je durch, sollte sich jemand erlauben Kritik an der Politik, der Partei oder dem Führer zu äußern. Öffentliche Hinrichtungen durch den Strang sind keine Seltenheit. Teilweise hängen leblose Körper mit Schildern auf denen ihre „Vergehen“ geschrieben standen tagelang an Laternenmasten. Viele deutsche Städte wie Köln, Berlin, Bochum, Essen, Hamburg,… mussten bereits schwerste Bomberangriffe der Alliierten aushalten. Teilweise wurde hier auch schon mit Brandbeschleunigern „gearbeitet“. Hamburg erlebte als eine der ersten Städte einen Angriff kombiniert aus Sprengbomben und Brandbomben, wobei hier zusätzlich Kanister mit Phosphor abgeworfen wurden. Die Wirkung war verheerend. (Operation Gomorrha)
Das Erscheinungsbild aller großen deutschen Städte war von unzähligen Ruinen geprägt. Auf einigen Ruinen stand als Zeichen des Trotzes geschrieben: "Mauern mögen brechen – unsere Herzen nicht". Der Wille, alles zu ertragen was kommen möge – wie es bereits von den Engländern Jahre zuvor ertragen werden musste -, war immer noch stark. Langsam jedoch wurden die Deutschen kriegsmüde. Die einzige Stadt, die bisher noch keinen flächendeckenden Bombenangriff hinnehmen musste, war die siebtgrößte Stadt des deutschen Reiches – Dresden.


Dresden wurde aufgrund der bildschönen Altstadt, dominiert von barocken Prachtbauten auch das „Elbflorenz“ oder die Metropole – die Perle an der Elbe genannt.
Laut Aussage der Industrie- und Handelskammer von 1941 soll Dresden mit seinen ca. 642.000 Einwohnern sogar einer der ersten Industriestandorte des Reiches gewesen sein. Während des Krieges war Dresden später einer der 3 wichtigsten Verkehrsknotenpunkte, da sich hier Bahnstrecken von Berlin, Prag, Breslau, Warschau, Leipzig und Nürnberg kreuzten. Die ersten Luftangriffe auf Dresden beschränkten sich daher lediglich auf Industrieanlagen, Bahnhöfe und Gleisanlagen. Die historische Altstadt wurde bisher – von einigen versehentlichen Treffen abgesehen - verschont. Nicht zuletzt deshalb wurde in Dresden auf groß angelegte Luftschutz-Systeme verzichtet. Alle Kraft wurde vom Gauleiter Mutschmann auf die kriegswichtige Produktion gelenkt.



Amerikanische Boeing B-17 Bomber (Fliegende Festungen)



Am 24. August 1944 erfolgte ein erster Luftangriff auf die Industrie in Freital und das Industriegebiet Dresden-Coschütz. Dieser Angriff forderte 241 Menschenleben.
Am 7. Oktober 1944 sterben 312 Menschen durch amerikanische Bomber, die den Bahnhof Dresden-Friedrichstadt und eine Rüstungsfabrik zerstören. (Bei diesem Angriff fielen auch erstmals Bomben auf die Altstadt)
Am 16. Januar 1945 fliegt die USAAF mit 133 Flugzeugen erneut einen Angriff auf den Bahnhof Friedrichstadt, bei dem 334 Menschen sterben müssen.
Im Februar 1945 ist Dresden von Flüchtlingsströmen aus Osten kommend übersät. Ca. 200.000 Menschen suchen Zuflucht in der Stadt die zur Festung erklärt wurde und bis zur letzten Patrone verteidigt werden sollte. Die ohnehin angespannte Versorgungslage wurde aufgrund der vielen Flüchtlinge prekär.
Am 13. Februar 1945, es war ein Faschingsdienstag, versuchen sich die Dresdner wenigstens für einen Tag oder sei es nur für ein paar wenige Stunden vom Leid des Krieges abzulenken und Fasching zu feiern.

Gegen 17.20 Uhr gibt der Chef des britischen Bomber Command, General Arthur Harris das Codewort „Chevin“ aus. Für eine Gruppe Lancaster von der 83. Squadron, No. 5 Group, heißt dies, dass sie sich sofort als Pfadfindermaschinen auf die 1.100 km lange Reise nach Dresden zu machen haben. Begleitetet werden die Lancaster von einer Gruppe Mosquitos. Die erste Hauptgruppe, bestehend aus 254 Lancaster Bombern, beladen mit insgesamt 500 Tonnen Sprengbomben und 375 Tonnen Brandbomben folgt den Mosquitos und schlägt den Kurs auf die noch ahnungslose Elb-Metropole Dresden ein.


Beginn des Dramas


Blick vom Rathausturm auf die zerstörte Stadt. Im Vordergrund der heutige Pirnaische Platz.



Bei klarer, wolkenloser Nacht wird gegen 21:45 Uhr in Dresden (insgesamt zum 175. mal) Fliegeralarm ausgelöst. Die Bevölkerung begibt sich, teilweise noch in Karnevalskostümen, in die vorgesehenen Luftschutzkeller.
Lediglich 10 der 30 in Dresden stationierten Nachtjäger sollten sich in besagter Nacht in den Luftkampf stürzen – sie hatten allesamt keine Chance gegen die Übermacht die hier im Anflug war. Sie wurden von den alliierten Begleitjägern ohne Probleme vom Himmel geholt.
Exakt um 22.03 Uhr werfen die Pfadfinder ihre Leuchtmarkierungen über der Altstadt ab. Die sogenannten „Christbäume“ erhellen den Himmel über Dresden. Spätestens jetzt ist klar, dass das Ziel diesmal nicht das Industriegebiet oder der Bahnhof ist. Die kurz darauf folgenden Lancaster Bomber können gefahrlos auf 3.000 Meter sinken um ihre Last sicher ins Ziel zu bringen. Sie brauchen stationäre Flak nicht mehr zu fürchten, da diese bereits lange zuvor abgebaut und an die Ostfront geschickt wurde. Wehrlos ist die Stadt Dresden nun den hunderten Bombern ausgeliefert, die eiskalt ihren Auftrag erfüllen und ihre tödliche Fracht über ihren Zielen abwerfen.

Die ersten Maschinen werfen ausschließlich Sprengbomben ab. Viele davon sind die gefürchteten „Blockbuster“, die ganze Straßenzüge von ihren Dächern befreien. Sie sollen die Häuser entblößen, Mauern zum Einsturz bringen oder zumindest schwer beschädigen, sodass die Wirkung der Brandbomben maximiert wird. Von den folgenden Lancastern werden nun die Brandbomben abgeworfen. Mittels Brandbeschleunigern wie Phosphor, Magnesium oder Napalm, sollen die bereits beschädigten Häuser möglichst lange und intensiv in Brand gesteckt werden.
Das Ziel dieser Vorgehensweise ist ein Feuersturm, der so heiß wird, dass die Flammen allen Sauerstoff der Umgebung orkanartig aufsaugen. Menschen, die den Feuern nicht direkt zum Opfer fallen, weil sie sich in Kellern verstecken oder ins Freie, auf Grünflächen oder in Parks flüchten, ersticken elendig.
Die alten Häuser der Dresdner Altstadt nähren die Flammen und die chemischen Brandbeschleuniger tun ihr übriges. Bereits nach 30-45 Minuten ist klar, die Forschung der britischen Bomber Command mit ihren Wissenschaftlern haben ganze Arbeit geleistet – der Feuersturm gelingt in dieser Nacht. In den mangelhaft ausgestatteten Kellern, die teilweise bereits von Sprengbomben der ersten Welle aufgerissen wurden, weil sie nicht tief genug lagen und eine zu dünne oder teilweise gar keine Betondecke aufwiesen, ringen bereits zu Beginn des Angriff schon viele Menschen um Luft, während über ihnen schon das Flammeninferno tobt.
Nur 15 Minuten dauerte der erste Angriff dieser Nacht, doch schon jetzt stehen dreiviertel der Dresdner Altstadt in Brand. Nach weiteren 15 Minuten besteht für die Menschen, die aus den Kellern fliehen, weil die Häuser drohen einzustürzen, kaum mehr eine Chance dieser Hölle zu entkommen. Aufgrund der großen Hitze weicht sich der Asphalt auf. Verzweifelt versuchen Soldaten gemeinsam mit Feuerwehr die unübersehbaren Brände in den Griff zu bekommen, doch bald wird ihnen klar, dass es zwecklos sein würde.
Doch noch sollte es nicht vorbei sein, die Nacht sollte noch mehr Leid für die Bewohner Dresdens bereithalten.


Hölle auf Erden



Zehntausende von Toten wurden in den Straßen Dresdens in hohen Stapeln auf Roste geschichtet
und, zum Teil ohne Identifizierung, verbrannt.



Exakt um 1:23 Uhr traf die zweite Welle bestehend aus 549 Lancaster Bombern in Dresden ein. Diesmal hatten sie ausschließlich Brandbomben geladen – ganze 1.500 Tonnen! Von weitem schon konnte man die Stadt aus der Luft ausmachen. Keine Leuchtfeuer mussten als Zielhilfe abgeworfen werden. Die gesamte Stadt schimmerte in dunklem Rot durch die Nacht. Trotz allem wurde auch von diesen 549 Bombern die komplette Last abgeworfen. Nun waren auch die freien Flächen, wie die Elb-Wiesen bzw. die Ufergebiete und Randbezirke Dresdens betroffen. Es gab kaum noch ein Haus, welches nicht in Flammen stand, als die Bomber wieder Richtung England zurückflogen.

An Bord eines der Flugzeuge befand sich der Funker Roy Akehurst:

It struck me at the time, the thought of the women and children down there. We seemed to fly for hours over a sheet of fire - a terrific red glow with thin haze over it. I found myself making comments to the crew: "Oh God, those poor people." It was completely uncalled for. You can't justify it.
(Dann traf mich der Gedanke an die Frauen und Kinder da unten. Es schien als flögen wir seit Stunden über eine Fläche aus Feuer – eine schreckliche rote Glut mit einem dünnen Schleier über ihr. Ich stellte auf einmal fest, dass ich Bemerkungen zur Crew abgab: „Oh Gott, diese armen Leute“. Es war einfach unverantwortlich. Man kann es nicht rechtfertigen.)


Um 1:54 Uhr war der zweite Angriff vorüber. Die Flammen allerdings die er verursacht hatte sollten teilweise 4 Tage lang am wüten sein. 650.000 Stabbrandbomben gaben der Stadt praktisch den Rest. Brandtemperaturen weit über 1.000°C brachten Metall und sogar Glas zum Schmelzen.
Der Feuersturm machte auch vor Kliniken und Gotteshäusern nicht halt. Früh war klar, dass an eine Löschung nicht mehr zu denken war. Man konnte nur abwarten bis alles abgebrannt war. Überlebende werden diese Nacht nicht vergessen, sie immer wieder in ihren Träumen erleben. Der Orkan aus Feuer saugt alles in sich auf. Menschen werden von ihm aufgesogen und binnen Sekunden verbrannt. Wer nicht durch die Flammen umkommt, hat Probleme Luft zum Atmen zu bekommen. Verzweifelt springen brennende Menschen in die Elbe – aufgrund des Phosphors haben wie jedoch nicht mal im vermeintlich rettenden Wasser eine Chance. Auf den Straßen verdampfen Menschen förmlich und bleiben in ihrer letzten Pose verharrend auf 60cm geschrumpft liegen. Binnen Sekunden wird das Wasser aus ihren Körpern getrieben.

„Zu meiner Linken sah ich plötzlich eine Frau. Ich kann sie bis zu diesem Tage sehen und werde das nie vergessen. Sie hat ein Bündel in ihrem Arm, es ist ein Baby. Sie rennt, sie fällt und das Kind fliegt in hohem Bogen ins Feuer.
Plötzlich sehe ich wieder Leute vor mir. Sie schreien und fuchteln mit ihren Händen und dann – zu meinem Entsetzen und Erstaunen – sehe ich wie einer nach dem anderen umfällt. Heute weiß ich, dass diese armen Leute an Sauerstoffmangel starben. Sie fielen einfach um und verbrannten zu Asche.
Fürchterliche Angst fuhr durch mich hindurch und ich wiederholte andauernd den selben Satz: „Ich will nicht verbrennen!“ Ich weiß nicht, über wie viele Leute ich stürzte, ich wusste nur eines: ich will nicht verbrennen."

Margarethe Freyer

Doch die Hölle war immer noch nicht zu Ende – ein weiterer Angriff wartete auf die bereits schwer zerstörte Stadt.


Eine Stadt ausradieren?




Eine Mutter über dem Kinderwagen ihrer Zwillinge im Tode



Als die Sonne am 14. Februar aufgeht, bemerkt man in Dresden kaum etwas davon. Die Stadt brennt und über ihr hängt eine dichtschwarze Rauchschwade.
Die 3. Welle wird von den Amerikanern geflogen. Um 12:17 Uhr am 14. Februar erreichen 316 B-17 Bomber das brennende Dresden. Obwohl der Angriff bei Tageslicht stattfindet ist die Sicht denkbar schlecht. Die USAAF hatte den Auftrag diesmal 1.800 Sprengbomben und 136.800 Stabbrandbomben gezielt auf Rüstungsbetriebe und den Bahnhof abzuwerfen. Aufgrund des dichten Rauchs werden allerdings wieder vereinzelt Ziele bombardiert, die nicht hätten getroffen werden sollen. Wieder wird ein Krankenhaus schwer beschädigt. Nach 14 Minuten ist dieser, für diesen Tag letzte Angriff zu Ende und die Flieger drehen ab.

Am 14. Februar unter Tags geht im etwa 35 km entfernten Neustadt ein schwarzer Ascheregen nieder. Den Neustädtern ist die Katastrophe nicht entgangen, denn viel weiter noch ist die riesige tiefschwarze Rauchwolke zu sehen. Die Stadt ist ein Ruinenmeer, doch nicht genug. Um 10:15 Uhr am 15. Februar stürzt die völlig ausgebrannte Frauenkirche ein.
Schon war wieder ein Brummen am Himmel zu hören. Erneut tauchen amerikanische Flieger am Himmel auf. Wieder werfen sie ihre tödliche Last ab, als ob die Bewohner von Dresden noch nicht genug erlitten hätten. 211 sogenannte „Fliegende Festungen“ warfen bei immer noch schlechter Sicht 460 Tonnen Bomben größtenteils auf Industrieanlagen und Bahnstrecken ab. Weitere 3 mal sollten Flieger der USAAF bis Kriegsende Dresden noch heimsuchen und Bomben auf die ohnehin bereits völlig zerstörte Stadt Dresden abwerfen.


Die Opfer




Frauenleichnam in einem Luftschutzkeller



Bestätigte Einwohnerzahlen von Dresden gibt es nur aus der Vorkriegszeit. Damals waren es noch über 640.000 Einwohner bzw. sollen sich unmittelbar vor dem verheerenden Luftangriff ca. 200.000 Flüchtlinge in der Stadt aufgehalten haben.
Die Tage nach dem Angriff herrschte das pure Chaos in den Ruinen der Stadt. Die Innenstadt war total ausgebrannt, überall lagen verkohlte Leichen. Unzählige Opfer fanden den Tod bereits in den Luftschutzkellern und mussten mühsam geborgen werden.
Als „Terrorangriff“ wurden die Bombardements von der Propaganda sofort bezeichnet. Auch die Opferzahlen wurden mit 100.000 bis 500.000 wie man mittlerweile weiß, viel zu hoch angesetzt. Aktuelle Forschungen gehen anhand von vergleichbaren Zahlen bei Flächenbombardements anderer Städte von 25.000 bis 35.000 Opfern aus. Das Rote Kreuz bzw. auch eine schwedische Zeitung gaben ebenfalls 100.000-250.000 Tote an, allerdings erhielten sie diese Zahlen direkt von der Nazi-Führung und haben diese ungeprüft veröffentlicht.
Der rechtsgerichtete Historiker David Irving behauptet in seinem Buch "Der Untergang Dresdens" dass etwa 135.000 Tote gezählt wurden. Nachträglich musste er einräumen, dass diese Zahl wohl etwas zu hoch gegriffen sei und evtl. eine gefälschte Angabe der Nazis sein dürfte. Er beruft sich nachträglich auf ein Schreiben, welches allerdings viel niedrigere Zahlen enthält:

Aus dem Bericht des Höheren SS- und Polizeiführers Elbe vom 15.3.1945 über die vier Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945:


Die Angriffe, insbesondere die beiden Nachtangriffe, überwiegend reine Terrorangriffe gegen die dicht bevölkerten Stadtteile. 1. Angriff fast über das ganze Stadtgebiet. Feuersturm bereits nach 1/2-3/4 Stunde. 2. Angriff mit erhöhtem Sprengbombeneinsatz. Sprengbombenabwurf insbesondere auf die in Flammen stehende Innenstadt und große Teile der Gebiete, in welchen die Bevölkerung der Innenstadt vor dem Feuersturm Zuflucht suchte. (Großer Garten und sonstige Grünanlagen, Stadtteile mit offener Bauweise.) Starker Brandbombeneinsatz beim 2. Angriff besonders auf Gebiete, welche beim 1. Angriff überwiegend mit Sprengbomben
belegt worden waren. Die beiden Nachtangriffe müssen teilweise im Tiefangriff erfolgt sein, da in den Gebieten der offenen Bauweise die Häuser reihenweise mit Spreng- und Brandbomben belegt wurden und auf den Straßen verhältnismäßig wenig Sprengbombentrichter vorhanden sind. Durch die beiden Nachtangriffe das Stadtinnere von Dresden-Altstadt und die angrenzenden Stadtteile sowie die Südvorstadt fast völlig zerstört. Auch die Stadtteile Johannstadt, Friedrichstadt, Löbtau, Blasewitz, Striesen, Strehlen, Gruna, Plauen, Neustadt und Antonstadt hierbei schwer getroffen.

Mittagsangriffe vom 14. Februar und 15. Februar 45 auf das gesamte Stadtgebiet. Beim Mittagsangriff vom 14. Februar 45 besondere Schäden in Löbtau, Friedrichstadt, Cotta und der Leipziger Vorstadt. Beim Mittagsangriff vom 15. Februar 45 vor allem die Stadtteile Plauen, die Südvorstadt, die Stadtteile Tolkewitz, Laubegast, das Waldschlößchenviertel sowie die Stadtteile Loschwitz und Oberloschwitz getroffen. Beide Mittagsangriffe überwiegend Hochangriffe. Bei allen Angriffen war Bordwaffenbeschuss festzustellen [...]

Personenschäden: Bis 10. März 1945 - früh festgestellt: 18.375 Gefallene, 2.212 Schwerverwundete, 13.718 Leichtverwundete. 350.000 Obdachlose und langfristig Umquartierte. Aufgliederung der Personenschäden nach Geschlechtern mit Rücksicht auf bestehende Schwierigkeiten (Abwanderung großer Teile der Bevölkerung, Überführung eines großen Teils der Verwundeten nach außerhalb, vollkommene Verkohlung bzw. starke Verwesung der Leichen) noch nicht bzw. überhaupt unmöglich. Überwiegend handelt es sich aber um Frauen und Kinder. Nach Angaben der Kripo im Laufe der Zeit möglich, etwa 50% der Gefallenen zu identifizieren. Nach bisherigen Feststellungen ist der überwiegende Teil der Gefallenen in den LS-Räumen und außerhalb durch mittelbare oder unmittelbare Brandeinwirkung sowie durch Verschüttung umgekommen. Auch durch Abwurf von Minen- und Sprengbomben insbesondere während des 2. Nachtangriffes auf Straßen und Plätze sowie Grünanlagen sind hohe Personenverluste eingetreten. Die Gesamtzahl der Gefallenen einschl. Ausländer wird auf Grund der bisherigen Erfahrungen und Feststellungen bei der Bergung nunmehr auf etwa 25.000 geschätzt. Unter den Trümmermassen, insbes. der Innenstadt dürften noch mehrere Tausend Gefallene liegen, die vorläufig überhaupt nicht geborgen werden können. Genaue Feststellung der Gefallenenzahl erst möglich, wenn durch Vermisstennachweis und Meldeämter der Polizei feststeht, welche Personen Dresden verlassen haben. Beim Vermisstennachweis und der Stadtverwaltung liegen z. Zt. etwa 35.000 Vermisstenmeldungen vor.[...]
Bergung der Gefallenen, auch soweit nicht verschüttet, musste durch Kräfte des örtlichen LS-Leiters erfolgen, ebenso die Überführung nach den Friedhöfen. Mit Rücksicht auf die schnell fortschreitende Verwesung und bestehende außerordentliche Schwierigkeiten bei der Bergung, sowie Mangel an geeigneten Fahrzeugen zur Überführung auf Friedhöfe mit Zustimmung des Gauleiters und der Stadtverwaltung auf dem Altmarkt insgesamt 6.865 Gefallene eingeäschert. Die Asche der Gefallenen wurde auf einen Friedhof überführt.

Quelle: Dokumente zur Deutschen Geschichte, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1977 zit. n. Walter Weidauer, Inferno Dresden, Berlin 1966, S. 231 ff. (farbige Hervorhebung durch den Verfasser)


Die angeblichen Tieffliegerangriffe von denen der Polizeiführer berichtet konnten mittlerweile wiederlegt werden. Weiteres wurden auch keine Tieffliegerangriffe der Begleitjäger geflogen. Weiteres wurde oft behauptet, dass von der RAF und auch der USAAF Phosphor „abgeregnet“ wurde um den Brandbeschleuniger besser verteilen und wirksamer einsetzen zu können. Diese Behauptung konnte wiederlegt werden, denn die Bomber warfen die Brandbeschleuniger in Kanistern über der Stadt ab. Phosphor wurde über Dresden keinesfalls „abgeregnet“.


Nachhall



Der gleiche Ausblick wie beim Titelbild, diesmal aber nach der Trümmerberäumung 1949.



Keiner der diese Angriffe miterleben musste konnte sie je vergessen. Selbst die alliierten Bomberbesatzungen machten nach ihrem Einsatz keinen Hehl aus ihrer Ablehnung und Verurteilung derartiger Bombardements. Auch die britische Öffentlichkeit konnte diesen Methoden nichts abgewinnen – obwohl sie selbst in den ersten Kriegsjahren Ähnliches erleben mussten. (oder vielleicht gerade deshalb)
Zwei Tage nach dem Angriff, als das Ausmaß der Zerstörung bekannt war, bezeichnete die Associated Press selbst den Angriff als „Terror Bombing“. Churchill begann sich nun auch von den Bombenangriffen zu distanzieren.
Am 28. März schrieb er in einem Telegramm an General Ismay:
It seems to me that the moment has come when the question of bombing of German cities simply for the sake of increasing the terror, though under other pretexts, should be reviewed. Otherwise we shall come into control of an utterly ruined land…
(Es scheint für mich der Moment gekommen zu sein, dass die Frage der Bombardierung deutscher Städte nur aus dem Grunde, Schrecken zu verbreiten, auch unter anderen Voraussetzungen, überdacht werden sollte. Sonst bekommen wir ein vollkommen zerstörtes Land unter unsere Kontrolle...)


Die offizielle Version der Memos wurde aufgrund von scharfen Protesten durch Sir Arthur Harris entschärft und wie folgt wiedergegeben:
It seems to me that the moment has come when the question of the so called 'area-bombing' of German cities should be reviewed from the point of view of our own interests. If we come into control of an entirely ruined land, there will be a great shortage of accommodation for ourselves and our allies… We must see to it that our attacks do no more harm to ourselves in the long run than they do to the enemy's war effort.
(Es scheint für mich der Moment gekommen zu sein, dass die Frage der sogenannten 'Flächenbombardierung' von deutschen Städten aus dem Gesichtspunkt unserer eigenen Interessen neu bewertert werden muss. Wenn wir ein vollständig zerstörtes Land in unsere Kontrolle bekommen, dann wird es dort eine große Knappheit an Unterkunftsmöglichkeiten für uns und unsere Verbündeten geben... Wir müssen sehen, dass unsere Angriffe auf lange Sicht nicht mehr Schaden für uns bedeuten als für die Kriegsanstrengungen des Gegners.)


Im Jahre 1977 haben Deutschland und Großbritannien ein Zusatzabkommen zur Genfer Konvention ratifiziert, nachdem Flächenbombardements als Kriegsverbrechen gelten. Rückwirkend gilt dieser Zusatz natürlich nicht, denn immer wieder kommt die Frage auf, ob Dresden, Köln oder Hamburg ein Kriegsverbrechen war. Ich denke, dass sich beide Seiten im 2. Weltkrieg nichts geschenkt haben – niemand hat eine weiße Weste.
Meiner persönlichen Meinung nach waren alle 1.000-Bomber-Angriffe, die sich gezielt gegen die Zivilbevölkerung richteten ein Kriegsverbrechen. Diesen Vorwurf muss sich allerdings Deutschland ebenso gefallen lassen, denn auch von deutscher Seite wurden derartige Angriffe geflogen – ich erinnere nur an Rotterdam (14. Mai 1940) oder Coventry (14. November 1940 Unternehmen Mondscheinsonate). Allerdings gab es bei den Angriffen der Deutschen wie durch ein Wunder nicht allzu viele Tote unter der Zivilbevölkerung (Rotterdam ca. 800 Tote, Coventry 568 Tote).

Das Ansehen von Sir Arthur Harris hat nach dem Angriff auf Dresden sehr gelitten. Im Jahre 1992 wo eine Statue von ihm aufgestellt wurde, musste diese für mehrere Monate hindurch, rund um die Uhr von Sicherheitskräften bewacht werden. (die Statue wurde durch Mittel von RAF Veteranen gespendet)
Auf dem Sockel der Statue kann man lesen: "Die Nation schuldet ihnen allen eine gewaltige Verpflichtung".
Interpretiert man dies so, dass man sich verpflichtet solche Taten für die Zukunft zu verhindern, können (so denke ich) auch die Opfer von Dresden damit leben.
Seit dem Jahre 1956 verbindet Dresden und Coventry eine Partnerschaft. Beide Städte wurden durch schwere Bomberangriffe praktisch völlig zerstört. 1960 wurde ein Aufbauprogramm gestartet, indem Bewohner aus Coventry halfen, einige wichtige Gebäude in Dresden wieder zu errichten. Darunter auch die Frauenkirche.
Im Jahre 2005 konnte der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden abgeschlossen werden. Bei ihrer Einweihung waren auch ehemalige Angehörige der RAF anwesend.



Die Dresdner Frauenkirche während der Blauen Stunde.



Quellen



Autor von Mackensen